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EU-Agrarpolitiker Bernhuber: Was Wiener vorlegt, irritiert

Im Gespräch kritisiert EU-Agrarpolitiker Alexander Bernhuber Sarah Wieners Vorschläge zum Pflanzenschutz, fordert differenzierte Ziele und erklärt, wie es jetzt in Brüssel weitergeht.

Lesezeit: 8 Minuten

Die Reformpläne des EU-Pflanzenschutzrechts sorgen bei vielen Landwirten für Sorgenfalten. Anwendungsverbote in „sensiblen Gebieten“ stehen im Raum. Klar ist: Die EU-Institutionen wollen den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln massiv runterfahren.



Alexander Bernhuber ist EU-Abgeordneter für die österreichische Volkspartei ÖVP. In seiner Heimat in Niederösterreich bewirtschaftet Bernhuber einen konventionellen Landwirtschaftsbetrieb mit 30 ha Nutzfläche und 80 Mastrindern. Im Umweltausschuss des Europaparlamentes ist er Schattenberichterstatter für die Pflanzenschutzreform. Was das bedeutet und wie es jetzt in Brüssel weitergeht, erklärt er im Gespräch mit top agrar.

Herr Bernhuber, die Kritik am Vorschlag der EU-Kommissionzur sogenannten Verordnung zur nachhaltigen Verwendung von Pflanzenschutzmittelnist groß. Kann das Parlament alle Fehler ausbügeln?

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Alexander Bernhuber: Unsere Position ist nach wie vor, dass die Kommission einsehen muss, dass ihr Vorschlag unbrauchbar ist: Null Blick auf den russischen Angriffskrieg und zu viele fachliche Fehler.

Daher kommt jetzt auch der laute Ruf nach einer weiteren Folgenabschätzung. Die Kommission kann noch nicht mal sagen, welche Kulturen in welchem Umfang zum Beispiel von den Verboten in Schutzgebieten betroffen sind.

Außerdem hat die Kommission auch keine Daten, wer welche Pflanzenschutzmittel im geplanten Referenzzeitraum eingesetzt hat. Genau das sollte ja eigentlich als Berechnungsbasis dienen.

Ist es denn denkbar, dass die Kommission ihren Vorschlag zurückzieht?

Bernhuber: Die Chance ist aus meiner Sicht minimal. Wir müssen wohl oder übel mit dem handwerklich schlechten Gesetzesvorschlag arbeiten und diesen verbessern.

Seit Juni 2022 liegen die Vorschläge der Kommission auf dem Tisch und haben hohe Wellen geschlagen. Wo stehen wir aktuell?

Bernhuber: Wir haben uns 2019 mit dem Green Deal große Ziele gesetzt. Dieser hat ganz viele Unterziele, die auch die Landwirtschaft betreffen. Die spiegeln sich in der Farm to Fork-Strategie wider.

Ein Punkt dabei ist, dass die EU Kommission Reduktionsziele im Bereich Pflanzenschutz gesetzt hat. Deshalb müssen wir die derzeitig gültige Pflanzenschutzverordnung überarbeiten.

Im Juni 2022 hat die Kommission einen Vorschlag für die Reform des Pflanzenschutzrechts unterbreitet. In der EU muss die EU-Kommission immer den ersten Entwurf für neue Gesetzestexte machen.

Ihren Vorschlag hat die EU-Kommission an die Agrarminister und an uns im Europaparlament gesendet. Hier im Parlament ist der Umweltausschuss federführend, der Agrarausschuss hat ein Mitsprachrecht in manchen Teilen der Pflanzenschutzverordnung.

Was folgt als nächster Schritt?

Bernhuber: Die federführende Abgeordnete, die sogenannte Berichterstatterin, im EU-Parlament ist Sarah Wiener. Die Berichterstatter sind jeweils zuständig für einen speziellen Gesetzesvorschlag der EU-Kommission.

Frau Wiener wird am Donnerstag ihre Vorschläge zur Pflanzenschutzverordnung im Umweltausschuss präsentieren. Dann haben die übrigen Ausschussmitglieder vier Wochen lang Zeit, um ihre Änderungsvorschläge einzureichen.

Anschließend beginnen im Europaparlament die Verhandlungen, um eine gemeinsame Position, die den Aufschlag von Frau Wiener mit den Änderungsanträgen der Abgeordneten verbindet.

Welche Position kommt Ihnen als Schattenberichterstatter zu?

Bernhuber: Gemeinsam mit der Berichterstatterin suchen die Schattenberichterstatter aus allen Fraktionen nach einem tragfähigen Kompromiss, der zunächst im Umweltausschuss und dann im Plenum eine Mehrheit finden soll.

Parallel zum Parlament arbeiten die Mitgliedstaaten an einer Position zum Pflanzenschutz.

Bernhuber: Genau, erst wenn wir im Parlament und die Mitgliedstaaten unsere jeweiligen Positionen erarbeitet haben, startet der Trilog. Dann verhandeln wir mit den Mitgliedstaaten und der EU-Kommission über einen endgültigen Kompromiss zum Pflanzenschutz.

Wie kommt es, dass der Umweltausschuss beim Pflanzenschutz entscheidet?

Bernhuber: Das sind die Regeln des Parlamentes. Die Zuständigkeit beim Pflanzenschutz, aber auch bei der Gentechnik liegt im Umweltausschuss. Das heiße ich persönlich nicht unbedingt gut. Aber dieser Streit um Kompetenzen wurde lange geführt und nun ist es so, dass der Umweltausschuss entscheidet.

Hat Sarah Wiener mit ihrem Aufschlag, den sie am Donnerstag im Umweltausschuss vorstellt, die Version der EU-Kommission verbessert?

Bernhuber: Leider überhaupt nicht. Das, was Sarah Wiener vorlegt, ist mehr als irritierend.

Sarah Wieners Vorschläge sind eine Provokation gegenüber der Landwirtschaft.

Ihre Vorschläge sind eine Provokation gegenüber der Landwirtschaft.

Sie will das Reduktionsziel verschärfen und den Referenzzeitraum noch weiter nach hinten schieben. Das summiert sich alles und führt zu hohen Reduktionen beim Pflanzenschutz. Da kann ich nicht dahinter stehen.

Es braucht einen viel genaueren Blick auf die Konsequenzen des Gesetzes in den einzelnen europäischen Regionen und Branchen.

Mit ihren Vorschlägen zum integrierten Pflanzenschutz wollen die Grünen eine vierjährige Fruchtfolge durch die Hintertür einführen und erschaffen ein Bürokratie-Monster.

Was wollen sie jetzt konkret ändern?

Bernhuber: Aktuell konkretisieren wir unsere Änderungsanträge. Wir müssen weg von einem pauschalen Reduktionsziel. Der Fokus sollte auf vielseitigen Unterzielen, wie Versorgungssicherheit mit Lebensmitteln oder unterschiedliche Ausgangslagen in den Regionen oder bei Kulturen liegen.

Genauso arbeiten wir in der Landwirtschaft in der Natur und mit dem Wetter. Das müssen wir auch bei der Reduktion von Pflanzenschutzmitteln berücksichtigen. Weder Frau Wiener noch die Kommission zeigen hier den Willen zu mehr Flexibilität.

Konventioneller Pflanzenschutz muss möglich bleiben. Das ist für uns eine rote Linie."

Für uns ist klar: Konventioneller Pflanzenschutz muss möglich bleiben – auch in sensiblen Gebieten. Das ist für uns eine rote Linie.

Beim integrierten Pflanzenschutz müssen wir weg vom europäischen Zentralismus.

Beim integrierten Pflanzenschutz müssen wir weg vom europäischen Zentralismus. Wir müssen darauf schauen, was jetzt in den Regionen schon gut funktioniert, in Deutschland, in Österreich und anderen Mitgliedstaaten. Die Beratungsangebote die es bereits gibt machen dort eine tolle Arbeit.

Wenn man der Kommission glaubt, haben die regionalen Ansätze für den integrierten Pflanzenbau jedoch nicht gefruchtet.

Bernhuber: Es gibt Mitgliedstaaten, in denen das noch nicht gut klappt. Aber auch dort wird die Kommission keinen Erfolg durch Zwang haben. Man muss dort mehr unterstützen.

In Deutschland sind die Pflanzenschutzverbote in den sogenannten „sensiblen Gebieten“ der größte Aufreger rund um die Pflanzenschutzverordnung.

Die Gebietskulisse muss dringend überarbeitet und konkretisiert werden. Da ist Sarah Wiener schon einen kleinen Schritt vorangekommen. Auch die Kommission hat Korrekturen angedeutet. Aber dort nur biologische Pflanzenschutzmittel zu erlauben, ist eine Farce. Ich sehe keinen Mehrwert für die Umwelt, wenn wir nur mehr Kupfer und Schwefel in Schutzgebieten ausbringen.

Ein Beispiel: In den Naturschutzgebieten im hochalpinen Raum in Österreich- brauchen wir bereits jetzt keine Pflanzenschutzmittel. In Vogelschutzgebieten wie der Hellwegbörde in NRW braucht es Pflanzenschutzmittel unbedingt, um so wenige mechanische Eingriffe wie möglich zu haben. So müssen die Mitgliedstaaten eben differenzieren können.

Wie sicher ist die EU, dass sie die Green Deal-Ziele mit der Pflanzenschutzmittelreduktion erreichen kann?

Bernhuber: Das ist eben nicht sicher, ob das alles überhaupt wirkt. Meine große Kritik an der Kommission: Die Menschen im ländlichen Raum, gerade Landwirte, fühlen sich überfordert von immer neuen Vorschriften.

Jeder ist bereit, weniger Pflanzenschutzmittel anzuwenden.

Aktuell spüren viele Landwirte null Dialog und 100 Prozent NGO-Umweltdiktatur.

Aber aktuell spüren viele Landwirte null Dialog und 100 Prozent NGO-Umweltdiktatur. Da droht ein extremer Vertrauensverlust für Brüssel.

Es prasselt zu viel auf die Landwirte ein: Pflanzenschutz, Düngeverordnung, die Umsetzung der neuen Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP), Wolf, die Industrieemissionen. Da sieht man keine Perspektive.

Welche Chancen hat die Pflanzenschutzverordnung überhaupt noch vor der Europawahl im Mai 2024 durch zu kommen?

Bernhuber: Um das zu schaffen, müssen wir schon flott sein. Das ist bei weitem noch nicht fix, dass sich das ausgeht.

Das ist im Übrigen nicht allein Sache des Parlamentes. Die Mitgliedstaaten müssen ja auch weiterkommen. Wie es jetzt aussieht, schaffen die Schweden dies in ihrer Ratspräsidentschaft nicht. Danach übernehmen die Spanier, die im Dezember ihr Parlament wählen. Ob die dann das heiße Eisen Pflanzenschutz anpacken, ist fraglich.

Bei der Landwirtschaftspolitik werfen Kritiker vor allem der EVP vor, eine nachhaltige Veränderung der EU-Landwirtschaft zu blockieren.

Bernhuber: Das hört genau dann auf, wenn man zum Beispiel die Vertreter der NGOs mit konkreten Problemen konfrontiert. Wie können die mir erklären, wie wir die Kartoffelproduktion in Österreich oder den Zuckerrübenanbau in Deutschland sicherstellen? Die können ja dem Bauern mal erklären, dass er seinen Betrieb nicht mehr so führen kann wie bisher und zusperren kann.

Ganz nebenbei blenden sie das Thema Ernährungssicherheit auch angesichts des Krieges komplett aus.

Experten gehen jedoch davon aus, dass die Ernährungssicherheit in Europa nicht gefährdet ist.

Bernhuber: Das mag sein. Wenn wir jedoch ein globale Perspektive einnehmen, sieht die Lage anders aus. Das Welternährungsprogramm fordert eine nachhaltige Intensivierung der Lebensmittelproduktion. Nur so bekommen wir künftig 10 Milliarden Menschen satt. In Europa sind wir auf dem besten Weg, kräftig zu extensivieren.

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