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"Ernährung im Wandel"

Grundsatzkritik: Philipp Amthor zerpflückt den Bürgerrat für Ernährung

Der CDU-Bundestagsabgeordnete hat weniger mit den Vorschlägen des Rats ein Problem als mit seiner Konstruktion. Die sei nur ein weiterer Baustein in einer fortschreitenden „Entparlamentarisierung“.

Lesezeit: 5 Minuten

Im vergangenen Jahr hatte sich der Bürgerrat „Ernährung im Wandel“ daran gemacht, für den Bundestag Empfehlungen für eine nachhaltige Ernährungspolitik zu erarbeiten. Ansatz und Systematik des Gremiums von der zufälligen Auswahl der Teilnehmer bis hin zur Leitung der Sitzungen waren nicht immer ohne Kritik von innen oder außen ausgekommen.

Zwischenzeitlich hatte ein Teilnehmer sogar hingeworfen und das unter anderem mit der Moderation der Sitzungen begründet, die „in vielen Bereichen nicht neutral“ gewesen sei, ebenso wie die Auswahl der geladenen Experten.

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Neun Handlungsempfehlungen

Nichtsdestotrotz hatte der Bürgerrat im Februar sein Gutachten mit neun Handlungsempfehlungen an Bundestagspräsidentin Bärbel Bas, Bundestagsabgeordnete sowie Vertreterinnen und Vertreter der Fraktionen übergeben.

Sie lauten wie folgt:

  1. Kostenfreies Mittagessen für alle Kinder als Schlüssel für Bildungschancen und Gesundheit

  2. Bewusstes Einkaufen leicht gemacht durch ein verpflichtendes staatliches Label

  3. Verpflichtende Weitergabe von genießbaren Lebensmitteln durch den LEH

  4. Lebensbedingungen und Herkunft von Tieren transparent darstellen

  5. Fördern statt Fordern – neuer Steuerkurs für Lebensmittel

  6. Gesunde, ausgewogene und angepasste Gemeinschaftsverpflegung in Pflegeeinrichtungen

  7. Verbrauchsabgabe zur Förderung des Tierwohls

  8. Altersgrenze für Energydrinks

  9. Mehr Personal für Lebensmittelkontrollen

BMEL begeistert

Diese Empfehlungen stießen nicht nur im Bundeslandwirtschaftsministerium auf offene Ohren, decken sie sich doch in erheblichem Maß mit Ideen und Plänen, die dort seit Langem diskutiert sind oder sich sogar schon – wie bei der Tierwohlabgabe – in der Umsetzung befinden.

Die Gegner wollen dennoch nicht verstummen. So auch der CDU-Bundestagsabgeordnete Philipp Amthor, der im Februar zusammen mit dem Agrarsprecher seiner Fraktion, Albert Stegemann, und der Abgeordneten Christina Stumpp ihre Kritik am Bürgerratsmodell erneuert hatte.

Amthor: Deutscher Bundestag ist Bürgerrat des Grundgesetzes

In dieser Woche legte Amthor bei der Bundestagsdebatte zu den Bürgerratsvorschlägen nach. Er bekräftige seine „grundsätzlichen Zweifel“ an der Eignung eines solchen Gremiums. Das ist für ihn trotz des unbestrittenen Engagements der Teilnehmer und einiger kluger Vorschläge wegen seiner grundsätzlichen Konstruktion ein weiterer Baustein in einer fortschreitenden „Entparlamentarisierung“.

Inzwischen sei es so: „Zu zentralen gesellschaftspolitischen Fragen werden Expertengruppen eingerichtet.“ Man habe es immer öfter zu tun mit einer Auslagerung von politischer Verantwortung in solche außerparlamentarischen Gruppen. „Alles zu Lasten des Parlaments – so kann das doch nicht weitergehen“, konstatierte Amthor.

Es ist für ihn auch keine Lösung, wenn die Bundestagspräsidentin in „sogenannten Bürgerlotterien herbeiquotierte Räte“ zusammenzulost. „Volkssouveränität zeichnet sich in unserem Land aus durch Wahlen und Abstimmungen – nicht durch Auslosungen“, betonte der CDU-Politiker.

Repräsentation sei keine Frage von Zufällen, sondern von parlamentarischen Verfahren und durch Abgeordnete, die ihren Wähler verantwortlich sind. „Unser Grundgesetz hat seit 75 Jahren einen materiell super-legitimierten Bürgerrat: Das ist der Deutsche Bundestag“, stellte Amthor klar. Der werde geschwächt, wenn man den Eindruck mache, dass der Bürgerwille nur durch neue Instrumente wie einen Rat ins Parlament gelange.

Stumpp: Ampel hat tiefes Misstrauen gegen repräsentative Demokratie

Amthors Kollegin Stumpp stellte unmissverständlich klar: „Mein Wahlkreis ist mein Bürgerrat!“ Nach ihrem Verständnis hat die Ampel mit der Einsetzung des ersten Bürgerrates im Bundestag ihr „tiefes Misstrauen gegen die repräsentative Demokratie“ ausgedrückt. Unabhängig davon habe der Bürgerrat einige unterstützenswerte Vorschläge gemacht, wie etwa die Empfehlungen für mehr Ernährungsbildung und mehr Eigenverantwortung für die Verbraucher, betonte Stumpp.

Mayer: Wir wollen umsetzen

Die Grünen-Abgeordnete Dr. Zoe Mayer sieht das anders: „Niemand geht es an, wie ich esse. Diese Geschichte ist falsch.“ Beeinflussung bei Ernährungsverhalten finde im Wirklichkeit jeden Tag statt – nicht immer zum persönlichen Vorteil. Die einfachsten Alternativen seien oft die ungesündesten.

Gleichzeitig lasse sich über kaum ein Thema politisch debattieren wie über Ernährung, so Mayer. Deshalb zeige der Ernährungsrat auf, wie gesunde und nachhaltige Ernährung funktionieren kann. Das Gremium spreche sich für mehr pflanzliche Ernährung und mehr Tierschutz „und wir wollen umsetzen“, betonte die Grünen-Politikerin. Für Mayers Fraktionskollegen Leon Eckert ist der Bürgerrat das perfekte Instrument, um die Lücke zwischen der Wählerbasis und „da oben“ zu schließen und die Demokratie „weiterzuentwickeln“.

Felser: Nicht alles umsetzbar

Selbst der AfD-Abgeordnete Peter Felser findet das Engagement der Teilnehmer des Bürgerrats „lobenswert“. Auch das Thema „gute Ernährungspolitik“ sei wichtig, zumal falsche Ernährung die Ursache für 70 % der westlichen Zivilisationskrankheiten sei. Die Aufgabe der Politiker sei nun, zusagen, „was geht und was nicht geht“. Das betrifft Felser zufolge beispielsweise die kostenfreie Schulverpflegung. Die sei ein guter Vorschlag, allerdings nicht Bundes- sondern Ländersache und auch die Finanzierung sei völlig unklar.

Auch eine Tierwohlabgabe „hört sich gut an“, meint der AfD-Politiker. Er fragt aber: „Wollen wir wirklich Fleisch zum Luxusgut machen?“ Ernährung nach dem Zweiklassenprinzip lehne seine Fraktion jedenfalls ab. Zum System Bürgerrat sagt Felser in Richtung Ampel: Wenn es der wirklich um echte Bürgerbeteiligung ginge, wäre jeder Einwohner beteiligt mit Instrumenten direkter Demokratie, also beispielsweise in Form von Volksabstimmungen.

Latendorf: Kostenlose Kita- und Schulverpflegung bietet zahlreiche Vorteile

Die agrarpolitische Sprecherin der Gruppe Die Linke im Bundestag, Ina Latendorf, verwies auf einen aus ihrer Sicht positiven Beitrag des Bürgerrats: Sie begrüßt vor allem die Empfehlung für eine kostenlose Kita- und Schulverpflegung. Die fördert nach ihrer Überzeugung eine gesunde Ernährung bei Kindern und Jugendlichen und zugleich die Ernährungsbildung. Zudem sei das ein Beitrag für mehr Chancengleichheit zwischen den Kindern ohne Stigmatisierung und entlaste die Eltern. Latendorf ginbt auch zu bedenken, dass auch das Gesundheitssystem von einer solchen Regelung profitieren würde, weil so ernährungsbedingte Krankheiten können verhindert werden können.

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