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Fendt Nachhaltigkeitsforum

Landwirte im Wetterstress: Praktiker berichten über ihre Erfahrungen mit Trockenheit, Erosion und Starkregen

Hitze, Starkregen, Frost: Die Wetterextreme nehmen zu und stellen Landwirte vor eine große Herausforderung. Beim Fendt Nachhaltigkeitsforum sprachen Praktiker und Technikexperten über Lösungsansätze.

Lesezeit: 7 Minuten

„Landwirtschaft im Wetterstress“ – so lautete der Titel des zweiten Fendt Nachhaltigkeitsforums, das gestern in Marktoberdorf im Allgäu stattfand. Dabei sprachen Landwirtinnen und Landwirte aus ganz Deutschland von den praktischen und wirtschaftlichen Herausforderungen, vor denen sie aufgrund des Klimawandels stehen. Durch den Abend führten Manja Morawitz, Kommunikations-Chefin bei Fendt, und Guido Höner, Chefredakteur der top agrar.

„Wetterextreme und -ausnahmen nehmen weiter zu. Der abgelaufene Oktober war der wärmste seit Aufzeichnung“, konstatierte Christoph Gröblinghoff, Vorsitzender der Geschäftsführung von Fendt, zu Beginn der Veranstaltung. „Im Berufsstand werden wir uns auf Wetterkapriolen einstellen müssen. Und wir werden das auch meistern“, fuhr er fort – wie, darauf versuche das Format Antworten zu geben.

Wie sich die Wetter-Situation zuspitzt, zeigte Thomas Gehrke, Vorstand Vereinigte Hagelversicherung, anhand von Jahreskarten zu Gemeinden in Bayern. Rot gefärbt waren solche, die Schadenfälle gemeldet haben. Auffällig war: In den letzten zwanzig Jahren wurden die Karten immer röter. Sowieso haben extreme Wetterereignisse im Jahr 2023 Schäden in Rekordhöhe verursacht.

Sommer, Sonne, Ernteausfall

Dürre, Hitze, Starkregen, Frost: Zunächst berichteten vier Praktikerinnen und Praktiker aus besonders stark betroffenen Regionen Deutschlands von ihren Erfahrungen. So sagte Bernd Günther, Zuckerrübenanbauer aus Reichenberg bei Würzburg: „Wir merken inzwischen, dass die Wetterlagen, die sich bei uns einnisten, sehr lange halten – acht Wochen Regenphasen oder acht Wochen ohne Niederschlag. Auch Winderosion ist ein großes Thema.“ Der Betrieb habe seine Konsequenzen gezogen und die Bearbeitung auf Direktsaat umgestellt.

Robert Schulz, Geschäftsführer der Agrargenossenschaft Uckermark agrar eG Göritz (Brandenburg), beschrieb ausgeprägte Frühsommertrockenheiten. Gleichzeitig betonte er, dass man aber nicht nur die Trockenheit sehen dürfe, sondern vor allem über die Extreme sprechen müsse: „Wir hatten im Mai oder im Juni auch mal in 24 Stunden 120 oder 150 l Niederschlag.“

Bei Verena Hußmann, Milchviehhalterin aus Feuchtwangen, Mittelfranken, stand die Futterproduktion wegen des Wetters bereits auf der Kippe: „Die letzten Jahre war es wirklich so, dass wir einen Regenguss vor dem Totalausfall standen und dann kommt man ins Grübeln: Wenn es wirklich so gewesen wäre, dann hätte es auch in der Region nichts zu kaufen gegeben. Dann muss man sich Wege suchen, das Risiko zu streuen.“ So hat die Familie vermehrt Luzerne angebaut. Wegen der Ertragsunsicherheit sinkt die Anbaufläche von Mais. Stattdessen steigt die Bedeutung von Ackergras, das die Winterfeuchte besser nutzen kann.

Dass sich der Klimawandel auch massiv auf unsere Wälder auswirkt, machte Wolfgang von Wolff-Metternich, Waldbesitzer und Förster aus Höxter in Ostwestfalen-Lippe, deutlich. In den letzten Jahren habe er von 350 ha Wald 70 ha Nadelholz verloren. Nun zeigen sich auch vermehrt Schäden an Buchen. Eine Aufeinanderfolge von Extremwetterereignissen wie in den letzten Jahren habe es seit Generationen nicht gegeben. Er stellte klar: „Da tickt eine Bombe. Der Wald muss umgebaut werden.“

Anpassen, variieren, reduzieren

„Wir haben angefangen, über den deutschen Tellerrand hinauszugucken und bauen jetzt zum Beispiel Kichererbsen, Sommerdurum und Sonnenblumen an“, sagte Jana Gäbert, Landwirtin und Agrarwissenschaftlerin aus Trebbin, Brandenburg. Sie wies daraufhin, dass es notwendig sei, Erfahrungen mit neuen Kulturen zu sammeln und dass es an zugelassenen Pflanzenschutzmitteln für eben diese fehle. Sie machte kein Geheimnis daraus, dass die Kichererbsen in diesem Jahr aufgrund von Spätverunkrautung ein Totalausfall waren. Davon lässt die Landwirtin sich jedoch nicht entmutigen: Sie glaubt, es sei existenziell für die Landwirtschaft, zu experimentieren. Rückschläge gehörten nun einmal dazu.

Wir haben angefangen, über den deutschen Tellerrand hinauszugucken."
Jana Gäbert

Dr. Jon Falk, Geschäftsführer der SAATEN-UNION BIOTEC GmbH, sieht verschiedene Herausforderungen auf die deutsche Pflanzenzüchtung zukommen. Zum einen gehe es darum, die Sorten gängiger Kulturen resilienter zu machen. Das könne zum Beispiel durch das Einkreuzen von Eigenschaften bestimmter Wildsorten geschehen, was sich unter Umständen durch neue Züchtungsmethoden beschleunigen lässt. Zum anderen sei es wichtig, alternative Kulturen züchterisch zu bearbeiten. Dr. Falk merkte jedoch an: „Wir Pflanzenzüchter brauchen in der Regel zehn Jahre, um eine neue Sorte auf den Markt zu bringen, müssen also voraussehen, wie er in 10 bis 15 Jahren aussieht.“

Mit Dr. Marlen Wienert, Vorständin der BayWa AG, drehte sich die Diskussion zudem um das Thema der Vermarktung alternativer Kulturen. Sie bestätigte, dass dies derzeit noch schwierig sei. Denn die aufnehmende Hand müsse sich erst darauf einstellen. Auch Wortmeldungen aus dem Publikum machten deutlich, dass es oft kaum möglich sei, „Exotisches“ abzusetzen.

Wenn die Weinstöcke wegschwimmen

Sehr eindrücklich war der Vortrag von Meike Näkel vom Weingut Meyer-Näkel aus Dernau, Ahrweiler. Die Winzerin schilderte die Ereignisse rund um die Flut im Ahrtal im Jahr 2021: „Am Ende hatten wir nicht einmal mehr einen Eimer oder eine Rebschere übrig. Alles verloren und zerstört. Die Gebäude nur noch Ruinen. Wir waren tagelang von der Welt abgeschnitten, wochenlang ohne Wasser und Strom. Die Infrastruktur war total zerstört.“

Sie fuhr fort: „Wir standen quasi vor einer unlösbaren Aufgabe. Doch dann passierte etwas, mit dem wir nie gerechnet hätten: Wir erfuhren eine unglaublich große Welle der Solidarität von Menschen aus ganz Deutschland, aber besonders aus unserer Branche. Wir können uns glücklich schätzen, in der Landwirtschaft zu arbeiten. Der Zusammenhalt ist großartig.“ Zweieinhalb Jahre nach der Flut soll das Weingut an einer höher gelegenen Stelle neu errichtet werden, was durch die Bürokratie jedoch erschwert wird.

Am Ende hatten wir nicht einmal mehr einen Eimer oder eine Rebschere übrig. Alles verloren und zerstört."
Meike Näkel

Technologische Lösungen für die Zukunft

Wetterextreme fordern auch die Landtechnik. Adrian Hackfort, Leiter Produktmanagement Elektronik Fendt, sagte: „Weil die Einsatzzeitfenster für Aussaat und Ernte immer schwerer zu kalkulieren sind, muss die Landtechnik noch schlagkräftiger und flexibler werden. Dafür müssen Prozesse und Systeme optimiert und vernetzt werden.“

Ein weiterer Aspekt ist laut Dr. Thomas Steinmann, bei AGRAVIS zuständig für NetFarming und Produktmanagement Boden, die teilflächenspezifische Bewirtschaftung. Das Panel diskutierte diesbezüglich auch die Frage: Ist es sinnvoll, Einstellwerte und -bedingungen von Maschinenflotten automatisch und anonymisiert aufzuzeichnen und allgemein nutzbar zu machen? Die Industrie biete zunehmend Nachrüstlösungen an, sodass vorhandene Maschinen um intelligente Funktionen erweitert werden können.

Auf die Frage, wie die Landtechnik in zehn Jahren aufgestellt sei, antwortete Bernd Lummer, Produktmanager Sätechnik Amazone: „Wir werden deutlich mehr Assistenzsysteme haben und autonome Fahrzeuge sehen, die den Landwirten helfen, flexibel auf unterschiedliche Einsatzbedingungen einzugehen.“

Boden und Feuchte festhalten: Warum gehören Bäume auf den Acker?

Gegen Ende des Formats kam Reiner Guhl zu Wort. Der Landwirt bewirtschaftet einen konventionellen Ackerbaubetrieb in der Prignitz, Brandenburg. Nach hohen Verlusten durch Erosionen und Wassermangel entdeckte er vor drei Jahren das Agroforstsystem für sich. Auf seinen Äckern wachsen heute im Abstand von ca. 60 m Gehölzstreifen (Schwarzpappel-Hybride). Mittlerweile ist der Landwirt davon überzeugt, dass die positiven Effekte den Aufwand rechtfertigen: „Ich sehe das als eine Investition in die Zukunft. So muss ich meine Beregnung nicht weiter ausbauen und kann trotzdem die Erträge sichern.“ Der nächste Schritt ist für ihn die energetische Nutzung der Feldgehölze.

Zum Abschluss des Nachhaltigkeitsforums trat Wetterexperte Jörg Kachelmann auf. In gewohnt lässiger Manier spannte er einen Bogen von alten Bauernregeln bis hin zur modernen Prognosetechnologie. Zusammen mit der Vereinigten Hagel baut Kachelmann aktuell ein Netz an Messstationen auf. Anlässlich des Nachhaltigkeitsforums nahm er in der Nähe des Fendt Werks in Marktoberdorf die 1.000 Station in Betrieb. Seine Zuhörer verabschiedete er mit den Worten: „Ich bin dankbar, dass Sie, liebe Landwirte, die Anpassungsleistungen erbringen wollen, die vor Ihnen liegen. Lassen Sie sich nicht von manchen Leuten einreden, Sie seien die Ursache für den Klimawandel. Dem ist nicht so.“

Lassen Sie sich nicht von manchen Leuten einreden, Sie seien die Ursache für den Klimawandel. Dem ist nicht so."
Jörg Kachelmann

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