Statt Lebensmittellieferdiensten und Online-Supermärkten befassen sich deutsche Agrar-Start-ups derzeit eher mit Biotechnologie und Innovationen für die eigentliche landwirtschaftliche Produktion wie Feldrobotern oder vernetzter Farm Management Software. Das macht sie auch für etablierte Agrarunternehmen relevanter.
Das sind zwei Ergebnisse des aktuellen New Agrifood Reports, der heute auf der Grünen Woche in Berlin vorgestellt wurde. Die Umfrage unter 250 deutschen Agrar- und Ernährungs-Start-ups wurde erstellt von der German Agrifood Society, einem Verband von Agrar- und Food-Startups, und der Boston Consulting Group.
Die Ergebnisse im Kurz-Überblick
Übermäßig große Finanzierungen gibt es nicht mehr. Gelder fließen in reife und technologisch ausdifferenzierte Geschäftsmodelle.
Der Hype um den Lebensmittel-Onlinehandel und neuartige Food-Trends (Novel Food) ist vorbei. Vorgelagerte und technologie-getriebene Geschäftsmodelle florieren.
In der Absicht, die niedrigeren VC-Investitionen vonseiten der Wagniskapitalgeber zu kompensieren, bemühen sich die Start-ups vermehrt um öffentliche Fördergelder.
Der zunehmende Fokus auf vorgelagerte Bereiche und technologische Geschäftsmodelle machen Agrar-Start-ups als Kooperationspartner für etablierte Unternehmen relevant.
Die Wagniskapitalgeber haben strengere Auswahlkriterien aufgestellt, sind ebenfalls mehr im vor- als im nachgelagerten Bereich aktiv und achten hier vermehrt auf bereits vorhandene Profitabilität und technische Expertise der Start-ups.
Agri- und Biotech-Innovationen dominieren die Startup-Szene
Im sogenannten "Upstream"-Bereich tummelten sich 2023 die meisten Agrar-Startups. Upstream meint den der Landwirtschaft vorgelagerten und zuarbeitenden Bereich. Dieser Wandel weg vom nachgelagerten Bereich kann auch im globalen Vergleich konstatiert werden. International stiegen die Investitionen in den Upstream-Bereich an, z.B. in die folgenden Sektoren:
Agrar-Biotechnologie,
Bioenergie und Biomaterialien,
Farm Management Software & IoT-Sensoren,
sogenannte Novel Farming Systems (z.B. Indoor Farming, Farm Robotic, Automatisierung).
Interessanterweise gründeten sich immer noch die meisten Start-ups (61%) aus eigener Initiative heraus, also ohne einen universitären Hintergrund oder die Unterstützung eines Gründerzentrums. Die Zahl nahm allerdings auf diesem hohen Niveau etwas ab: im Jahr 2022 waren es 76% der Start-ups, die unabhängig von Unis, Unternehmen oder Gründerzentren gegründet haben.
Die Zahl der Gründungen, die aus einem Unternehmen heraus als sogenanntes Spin-off vorgenommen wurden, stieg von 0% im Jahr 2022 auf 9% in 2023.
Finanzsituation von Agrar-Startups
Die Höhe der jährlichen Gesamtfinanzierung im Agrifood-Sektor durch VC-Investoren pendelte sich dem Bericht zufolge im Jahr 2023 bei etwa 500 Mio. Dollar pro Jahr ein. Dabei sank das Finanzierungsvolumen im gesamten Agrifood-Sektor der top10-Länder mit Ausnahme von Frankreich und Kanada (siehe Abbildung).
Auch aufgrund des fehlenden Risikokapitals wandelten sich die Finanzierungspräferenzen der Gründerteams dem Bericht zufolge zugunsten staatlicher Fördergelder. So würden zwar 32% der befragten Teams Risikokapital von VC-Fonds oder Business Angels bevorzugen, obwohl nur 23% der Teams tatsächlich VC-finanziert sind. Den Bezug von staatlicher Förderung können sich aber knapp 10% Start-ups mehr vorstellen als noch im Jahr 2022.