Dr. Dorothee Schulze Schwering ist die erste Innovationsmanagerin an einer Landwirtschaftskammer (LWK) in Deutschland. An der LWK Nordrhein-Westfalen klopft sie seit September 2022 neue Trends, Märkte und Innovationen auf ihre Praxistauglichkeit für Landwirtinnen und Landwirte ab. Wie sie dabei vorgeht und welche Innovationsfelder es derzeit gibt, hat sie uns im Interview verraten.
top agrar: Sie sind Innovationsmanagerin an der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen. Keine andere Kammer hat eine solche Stelle geschaffen. Was ist Ihre Aufgabe?
Dorothee Schulze Schwering: Die Kammer hat im September 2022 erkannt, dass ein Innovationsmanagement sinnvoll ist. Ich gucke mir neue Trends, Märkte und Innovationen an und fungiere als fachbereichsübergreifende Schnittstelle. Der Markt ist dynamisch und entwickelt sich oft sehr schnell über mehrere Fachdisziplinen, so dass unsere spezialisierte Fachberatung diese Innovationen nur schwer frühzeitig erkennen und bündeln kann.
Wie gehen Sie dabei vor?
Schulze Schwering: Ich identifiziere erstmal aktuelle Innovationsfelder. Dabei gibt es nicht die zwei, drei großen Themen, die für alle Betriebe infrage kommen. Die Trends sind breit gefächert. Ich mache eine erste Potenzialanalyse und schaue, was am Markt los ist. Außerdem baue ich ein Innovationsnetzwerk auf, sowohl intern als auch draußen. Wo sitzt jemand, der zu dem Thema etwas beitragen kann? Mit wem müssen wir als Kammer sprechen, um an das nötige Wissen zu kommen? Denn das ist mir wichtig zu betonen: Eine Innovation ist immer ein Feld, auf dem wir alle Neulinge sind. Bereits vorhandenes Wissen muss ich daher suchen und bündeln.
Innovationen fallen nicht vom Himmel. Man muss was dafür tun."
Wie kommt das Wissen in die Praxis?
Schulze Schwering: Indem ich für Wissenstransfer sorge. Ein Beispiel: Eins meiner ersten Innovationsthemen war Insektenzucht bzw. -protein. Ich konnte mit internem Wissen unseres Beraterkollegiums ein Kompetenzteam dazu aufbauen. Schließlich gibt es Fragen aus vielen Fachbereichen zu beantworten: Ein Futterexperte gehört dabei genauso an den Tisch, wie einer für Düngung oder baurechtliche Fragen der Umnutzung. Sollte es bei dem Beispiel künftig weitergehen, sind wir als Kammer dazu gut aufgestellt. Wir haben ein Netzwerk, das weiterhelfen kann.
Wo liegen die Innovationsfelder für landwirtschaftliche Betrieb derzeit?
Schulze Schwering: Ich schaue mir die ganze Wertschöpfungskette an und bin viel im großen Bereich der Nischenkulturen und ihrer Vermarktung unterwegs. Dabei muss ich vorher wissen, ob es einen Markt für eine bestimmte Produktidee gibt. Derzeit befassen wir uns z. B. mit dem Thema Bambusanbau. Von der Zahnbürste über das Fahrrad bis zum Parkett oder Baustoff gibt es fast kein Produkt mehr, das nicht auch aus Bambus hergestellt wird. Doch der als nachhaltig geltende Rohstoff wird importiert. Wieso bauen deutsche Landwirte keinen Bambus an?
Mithilfe von Fachkollegen, in diesem Fall aus dem Zentrum für nachwachsende Rohstoffe, klären wir, ob und unter welchen Bedingungen das ein Geschäftsmodell für Landwirte sein könnte. Dafür legen wir dieses Jahr sogar eine Testfläche mit Bambus an.
Auch im Bereich Bioökonomie tut sich viel. Dabei geht es darum, mit welchen Nebenströmen sich möglichst viel Wertschöpfung auf dem Betrieb schaffen lässt. Auch neue Produktionsmethoden wie Fermentation, Insektenzucht oder Vertical Farming schaue ich mir an.
Am Ende geht es immer um ein zukunftsfähiges Geschäftsmodell für die Betriebe. Dieses baut sich oft langsam, sozusagen als Nebenschauplatz parallel zum Kernerwerb auf. Ob sich aus der Einkommensalternative dann etwas Größeres entwickeln kann, muss sich erst zeigen. Fest steht jedoch, Innovationen fallen nicht vom Himmel. Man muss was dafür tun.
Welche Kosten kommen bei Innovationsanfragen auf den Landwirt zu?
Schulze Schwering: Wenn ich angerufen werde und eine erste Recherche mache, fallen erstmal keine Kosten an. Wir versuchen, die Innovationsthemen möglichst niedrigschwellig anzubieten. Ich kann z. B. durch verschiedene Fördermittel bestimmte Workshops auch kostenlos oder zumindest kostengünstig anbieten. Wenn konkrete Ideen später in die Umsetzung gehen, gibt es unter Umständen Förderprojekte, über die sich Innovationen anschieben lassen z.B. EIP.
All das zeigt den Mehrwert meiner fachübergreifenden Position. Wenn heute die Beratung vor Ort eine Anfrage zu einer Innovation bekommt, muss sie nicht schulterzuckend vom Betrieb gehen, weil wir dazu schlichtweg nichts haben. Sie verweist an mich und ich schaue mir das an. Vielleicht haben wir zu neuen Themen nicht immer sofort die richtige Antwort parat. Dazu ist der Prozess, den wir anstoßen, zu komplex. Aber wir sind nah an den Zukunftsthemen dran.